Expedition ins Labyrinth von Cross Luminance, Dropouts und Rippling – Stefanie Müller, ARD/ZDF Förderpreisträgerin 2019, systematisiert die Bildfehlersuche in historischem Videomaterial und gibt Archivar*innen ein automatisiertes Erkennungstool an die Hand
Seit gut fünf Jahrzehnten halten wir alle in Amateurvideos die Bilder und Töne unseres Alltags einfach und kostengünstig fest. Aber ältere Aufnahmen sind nach einiger Zeit bedroht. Das Bandmaterial zerfällt langsam und funktionierende Abspielgeräte werden rar. Eine Digitalisierung könnte zwar den heutigen Zustand des Videomaterials konservieren, aber dieser ist schon durch eine Vielzahl von Bildstörungen beeinträchtigt.
Stefanie Müllers Dissertation, die Maximilian Eibl an der Technischen Universität Chemnitz betreute, ging dieses Problemfeld an: „Systematisierung und Identifizierung von Störquellen und Störerscheinungen in zeithistorischen Videodokumenten am Beispiel digitalisierter Videobestände sächsischer Lokalfernsehsender.“ Anwendungsfall und zugleich Beispielsammlung für ihre Forschung waren die VHS-Videos der Wendejahre 1991-1996 in Sachsen. Denn hier sind es ja nicht private Home Videos, sondern einzigartige und erhaltenswerte Zeitdokumente der deutschen Geschichte.
Ein Labyrinth von über 800 kursierenden deutschen oder englischen Begriffen erschwerte bislang die Orientierung. In 17 Fehlergruppen wurden sie nach Ursache (Störquelle) und Wirkung (Störerscheinung) geordnet. Fehlergruppen und Einzelfehler wurden dann eindeutig benannt, beschrieben und voneinander abgegrenzt. Dieser taxinomische Fortschritt ermöglichte die Erkennbarkeit und auch die automatisierte Verarbeitung in künstlichen neuronalen Netzen. Und einen Prototypen für eine Anwendersoftware entwickelte Stefanie Müller gleich mit. Mit ihr können z.B. Archivar*innen auf einen Blick die Fehler in digitalisierten VHS-Aufnahmen mit genauer Position, Häufigkeit und Typ erkennen.
Stefanie Müller stammt aus Chemnitz. Sie ging zum Bachelorstudium in Medientechnik an die Hochschule Mittweida und danach zum Masterstudium im selben Fach an die Technische Hochschule Deggendorf. Studienbegleitend arbeitete sie jahrelang in der Medienproduktion, vor allem als Kamerafrau und Cutterin. Beste Voraussetzungen, um nach der Rückkehr 2012 in ihre Geburtsstadt dort zu promovieren und auch Leiterin des TV-Studios der TU Chemnitz zu werden. Diese Tätigkeit übt Stefanie Müller nach Abschluss der Doktorarbeit weiter aus und hat besonderen Spaß daran, Student*innen gerade die praktische Seite der Fernsehproduktion zu vermitteln. Eine weitere Leidenschaft von ihr jenseits der Medientechnik gilt dem Turniertanz: nicht nur in den Standard- und Lateintänzen, sondern auch im Formationstanz mit bis zu acht Paaren gleichzeitig!